Gehört: „Olympia“ von Bryan Ferry

BRYAN_FERRY_-_Olympia_1000Was haben Kate Moss, Elektronik-Guru Brian Eno, die jüngst wieder aufgetauchten Scissor Sisters und Flea – bewährter Bassist der Red Hot Chili Peppers – gemeinsam? Naheliegend wäre da vielleicht eine Antwort, die ein wenig in Richtung bewusstseinserweiternder Substanzen ginge…ist hier allerdings weit gefehlt. Es verbindet sie die Komplizenschaft am neuen Werk des mittlerweile legendären Bryan Ferry, seines Zeichens Mr. „Roxy Music“ und damit so ein bisschen auch Übervater der  80er – New Wave. Nicht umsonst verweisen Spandau Ballett, The Human League und Duran Duran auf die musikalische und stilistische Vorbildwirkung des smarten Briten und seiner Roxy Music-Kollegen.

Auf Ferrys Konto gehen unzählige Hits der 70er und 80er Jahre – allen voran Stücke wie das sphärische „Avalon“, das laszive „Slave To Love“, das eingängige „Don’t Stop The Dance“ und die John Lennon Cover-Tribute-Nummer „Jealous Guy“. Immer stilsicher, dabei ein wenig entrückt und doch mit nötiger Bodenhaftung, legte der mittlerweile im Rentenalter angekommene Engländer eine beeindruckende Karriere hin. Ferry wirkt oft etwas mürrisch, dandy-haft und introvertiert, verbunden mit seiner Erscheinung gäbe er perfekt einen älteren Bruder des Tarantino-Stars Tim Roth ab. Doch genau wie Roth (gerade gefeiert in der Serie „Lie to me“) ist Bryan Ferry ein Meister der Zwischentöne und des feinen Spiels – in seinem Falle natürlich immer im besten musikalischen Sinne.

Fast drei Jahre lang sah es so aus, als könnten sich die Fans auf ein neues Album von Roxy Music freuen. Jetzt wurde es – trotz Beteiligung aller Ursprungsmitglieder (Phil Manzanera, Andy Mackay und eben Brian Eno) – doch (zunächst?) eine neue Solo-Platte. Die schaffte es nun solide und klug durchproduziert am 22.Oktober in die Läden. „Olympia“ – so der Titel in Anlehnung an den Aufnahmeort, den Londoner Stadtteil gleichen Namens – vereinigt 8 Ferry- Kompositionen mit den Cover- Versionen von „Song To The Siren“ (Tim Buckley) und „No Face, No Name, No Number“ (Traffic).

Ferrys Stücke sind allesamt auf der Höhe der Zeit, was ein wenig überraschen mag, denn es ist seit mehreren Jahren die erste Veröffentlichung neuen Materials. Es wirkt, als hätte der Brite erst jetzt wieder Vertrauen in seine eigenen Talente gefasst, sie nun aber so geschickt eingesetzt wie zuletzt nur in den frühen 80ern. Keiner der Songs verfehlt dabei seine Wirkung, die Arrangements sind vielschichtig, Ferrys Gesang – an vielen Stellen wieder wie hingehaucht – eingehend und tragend, die Platte auch in ihrem Fluss angenehm wandlungs- und abwechslungsreich.

„You Can Dance“ ist jetzt schon ein Club-Hit, und als gitarrengetriebener Einstieg ins Album macht er vertraut mit dem, was sich BRYAN_FERRY_4409-003-MF_Credit_Adam_Whitehead_1000dann über das poppig eingängige „Alphaville“ zu „Heartache By Numbers“ steigert. Diese Nummer erinnert direkt ein wenig an Coldplay und bleibt nicht allein durch den sphärenhaften Chorus sofort im Ohr. Das anschließende „Me Oh My“ ist eine pianogeprägte Ballade, in der sich zeigt, dass sich Bryan Ferry auch textlich treu bleibt – melancholisch, schwermütig und doch nicht kopflos. Nach dem tanzbar discotauglichen „Shameless“ dann das „Song To The Siren“– Cover. Hier flammt die Weite und Tiefe des typischen Roxy Music- Sounds auf, der so zeitlos und dabei geradezu edel, aber nie kitschig wirkt. Nahtlos folgend: „No Face, No Name, No Number“ – vielleicht als Remake etwas überstrapaziert – dennoch auch mit eigenem, neuem Charme. Deutlich mehr Up-Tempo dann wieder bei „BF BASS“, direkt ein wenig „dirty“ und frech. „Reason or Rhyme“ und „Tender Is The Night“ lassen dann routiniert das Album ausklingen, gerade letzterer Song auch durchaus als whiskey-taugliches Bar-Pianostück geeignet.

Bedenkt man die jüngsten musikalischen Machenschaften der ehrwürdigen Pop/Rock-Altherren-Riege (Carlos Santana, Phil Collins, Joe Cocker, Eric Clapton), dann sticht Bryan Ferry hier alle aus: ein rundes, absolut gelungenes und – trotz einiger Balladen – überhaupt nicht angestaubtes Album, bei dem sich eine Reihe namhafter Gastmusiker wohl die sprichwörtliche Klinke in die Hand gaben. Und natürlich Kate Moss … als hinreißend drapiertes Cover-Girl.

Gehört von: Thomas Matthes