Gehört: „Degeneration Street“ von The Dears

dears2The Dears stehen für melodramatischen, ambitionierten Gitarren-Pop und visionäre Sounds. Seit 1995 besteht die Formation um den Perfektionisten Murray Lightburn. Der eigensinnige Charakterkopf wechselt häufig seine Bandmitglieder, doch seit 2006 hat er sich auf eine „endgültige“ Formation verständigt.

Eine unkomplizierte Persönlichkeit scheint der Frontmann nicht zu sein. So war der Weg zur Ehe mit Bandkollegin und Keyboarderin Natalia Yachak alles andere als einfach und unsteinig. Die beiden lernen sich kennen, als jeder noch in einer Beziehung steckt. Irgendwann findet man zusammen, aber es will nicht. Das junge Glück trennt sich wieder. Lange Rede, kurzer Sinn: mittlerweile sind sie miteinander verheiratet und Eltern.

Bei „Degeneration Street“ handelt es sich um das fünfte Album der kanadischen Band. So eigenwillig wie der Sänger ist auch das Album und seine Entstehungsgeschichte. Die Lieder sind größtenteils via E-Mail-Austausch unter den Bandmitgliedern entstanden und das fertige Album wurde von Montreal aus, auch per elektronischer Datenübertragung, nach Los Angeles zu Produzent Tony Hoffer (Belle & Sebastian, Phoenix, Beck) weitergeleitet. So viel zu der Rolle des Produzenten, der sowohl das Beste aus den Musikern herausholen als auch sofortige und weiterführende Kritik geben soll.

dears1„Degeneration Street“ weiß mehr zu bieten als gewöhnlich The Dears-Kost – eingängige Hook-Lines und stilistische Diversität, dazu zahlreiche populärmusikalische Bezüge von 1960 bis 1990. Höhepunkte der Scheibe sind der Opener „Omega Dog“, das einen durch seinen leichten und flockigen Indie-Pop-Spirit in die Platte zieht oder „Blood“, mit kreischenden und fetzigen Gitarren. Ein innovatives und kraftvolle Schlagzeug deutet sich beim Folgestück des Openers, „5 Chords“, an – das seinen energetischen Beat-Höhepunkt beim einnehmenden und Off-beat-lastigen, „Yesteryear“ erlebt.

Ein nettes Album, das auf der Bühne gut über die selbe geht. Eingängig und lyrisch solide, mit nicht all zu viel Witz und Ironie. Wie die Falsettstimme Murray Lightburn’s vermag das Album nur an seinen Rändern zu schwingen.  Die musikalischen Anlehnungen und Anspielungen sind meist britischer Natur. Ein bisschen Radiohead und Pink Floyd („Degeneration Street“, „Galactic Tides“ oder „Lamentation“) oder David Bowie („Thrones“). Das wirkt teilweise zu dick aufgetragen.

Eine angenehme Hommage an die Pop-Musik-Geschichte, mit ein paar Liedern, die genug Eigensinn aufbringen. Es ist nichts Unbekanntes oder Nie-dagewesenes. Besitz dennoch Charakter und vermag zu gefallen.

Gehört von: Sebastian Schelly.

„Degeneration Street“ ist bereits am 08. April in Deutschland erschienen.