Freunde der Einfachheit: Interview mit Clickclickdecker

Ich treffe Oliver Stangl und Kevin Hamann im Hamburger Übel und Gefährlich und frage sie aus über Stress und Entspannungszeiten während der Entstehung eines Albums und der anschließenden Tour, warum Clickclickdecker jetzt ein Duo ist und darüber, wie man Musikmachen im Arbeitsleben und Alltag unterbringt.

Fällt die Anspannung etwas ab, wenn man nach den Aufnahmen zum Album auf Tour gehen kann?

Oliver: Ein bisschen schon. Oder sagen wir Erleichterung, dass man feststellt, es kommen auch Leute zum Konzert und es funktioniert. Wobei ich mir keine Sorgen gemacht habe, ob es mit uns auf der Bühne klappt, aber irgendwie macht man sich dann doch Gedanken, ob alle so läuft, wie man sich das wünscht und ob es den Leuten gefällt. Das wünscht man sich natürlich. Von daher war’s bisher ganz toll und in dem Sinne vielleicht eine Erleichterung, ja.

Kevin: Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Ich sehe das genauso. Na klar, fällt was ab. Also man hat immer auf eine Art und Weise die Befürchtung und den Gedanken: Kommt überhaupt jemand?

Aber bisher ist es doch gut gelaufen?

Kevin: Ja, es ist genau das Gegenteil… das ist die beste Tour, die wir je gefahren sind.

Ja, soweit ich es mitbekommen habe, waren die bisherigen Konzerte ziemlich ausverkauft?

Kevin: Ja genau, einige waren ausverkauft.

Wird es heute ausverkauft sein?

Beide: Naaaiiin! Neeee!

Oliver: Dafür ist der Laden ein bisschen zu groß. Ich bin heute auch wirklich aufgeregt! Nicht nur weil es sehr groß ist hier, sondern auch weil‘s hier einfach die Heimatstadt ist. Auch wenn ich schon seit einem Jahr nicht mehr hier wohne. Da ist man dann nochmal ein bisschen extra nervös. Aber wir sind einfach sehr dankbar und froh, also wir gehen nicht selbstverständlich davon aus, dass hier Leute kommen.

Ist das Touren ein Highlight für euch?

Kevin: Eigentlich ist alles ein Highlight. Es sind nur sehr unterschiedliche Facetten. Ich würde gar nicht sagen, das Eine ist besser oder das Andere schlechter. Nach hundert Konzerten habe ich genauso keine Lust mehr, wie nach hundert Tagen Studio. Die Abwechslung macht‘s und die Zeiträume dazwischen sind natürlich auch ganz wichtig. Ich glaube schwierig würde es werden, wenn man nur noch zwischen Studio und Tour wechseln würde. Aber so ist es easy. Wir haben schon letztes Jahr im Mai die letzten Studioaufnahmen gemacht und dann im August gemastert. In dem langen Zeitraum dazwischen waren wir im Urlaub oder was weiß ich. Entspannung muss auf jeden Fall auch sein.

Bei dir, Kevin, ist es ja so, dass du noch verschiedene Nebenprojekte hast. Ist das bei dir, Oliver, denn auch so?

Oliver: Im Moment gar nicht. Also ich hab früher auch andere Sachen gemacht, aber musikalisch bin ich gerade sehr glücklich als Arbeitsehefrau von Kevin.

Kevin: Also kennengelernt haben wir uns damals als Oli bei Fink gespielt hat. Wir waren zusammen auf Tour, ich durfte die im Vorprogramm eröffnen. Und bei Missouri hat er auch gespielt.

Oliver: Genau. Und in 2010, war ich noch bei der letzten Solotour von Nils Koppruch dabei, also dem ehemaligen Sänger von Fink. Das war eigentlich das letzte, was ich zusätzlich noch gemacht habe.

Was macht ihr denn eigentlich sonst im Leben so? Wenn ihr gerade von Freiräumen neben der Arbeit gesprochen habt.

Kevin: Ich arbeite hier in Hamburg in einer Betriebsstätte für Menschen mit Handicap. Bin dort auch als Musiker angestellt. Da arbeite ich halbtags und nebenbei mach ich halt noch den anderen Kram. Also halt das jetzt hier.

Oliver: Und ich mache Radio nebenher. Byte FM. Als ich noch hier in Hamburg gewohnt habe, bin ich da kurz vor Start zufälliger Weise mit rein geschlittert und habe den Sender hier mit aufgebaut. Das war eine super Erfahrung für mich, sehr intensiv. Und seitdem ich in Berlin bin, mach ich da ein bisschen weniger, ziehe mich da etwas zurück, bin aber weiterhin dabei und versuche nebenher als freier Autor Radiosachen zu machen. Das ist momentan der Stand.

Gab es bei den Aufnahmen zum Album sowas wie einen Masterplan?

Kevin: Nein, es gab keinen Masterplan, entstanden sind die Sachen eher im Prozess. Aber prinzipiell zur Herangehensweise: Wir haben da absolut keine Angst vor der Einfachheit. Also zum Beispiel vor Handyaufnahmen. Wenn die gut sind, benutzen wir sie auch auf der Platte.

Oliver: Letztlich fertig geworden sind die Sachen direkt im Studio. Da sind wir natürlich hingefahren mit relativ konkreten Ideen, ein paar Sachen hat man dann auch übernommen, wenn man dachte die sind schon gut so. Andere hat man nochmal ausgetauscht und es sind natürlich noch Sachen dazu gekommen. Insgesamt haben wir uns da sehr schön austoben können beim Aufnehmen und haben aber gleichzeitig auch schon während dessen darauf geachtet, nicht einfach alles aufzunehmen, was einem irgendwie einfällt um dann am Schluss nicht einen riesen Wust zu haben, den man mit der Wurzelbürste bearbeiten muss. Wir wollten die Sachen eher beim Aufnehmen schon so hinschieben, dass wir sie gut fanden.

Kevin: Ein gutes Beispiel dafür: Als wir dann ein halbes Jahr später am Mischen waren haben wir nach den normalen Mischprozessen, Effekten und so weiter häufig festgestellt, dass wir die Sachen so, wie sie aus dem Studio kamen eigentlich besser fanden, weil wir das alles für uns schon so gut zurecht gelegt hatten und uns teilweise auch einfach schon so eingehört hatten.

Oliver: Ich schätze das auch sehr, dass man zum Einen gar keinen total großen Masterplan hat und versucht, den zu erreichen und aber auch gleichzeitig nicht erstmals aufnimmt und am Schluss dann nur versucht, das irgendwie hin zu puzzeln, sondern das man eher den Moment nimmt, wie er ist und einfach guckt, was passiert. Manchmal sind die ersten Ideen oder die ersten Versuche, die man aufnimmt auch einfach die schönsten und die sind dann auch drauf.

Kevin: Klar, funktioniert der First Take nicht immer, aber man versucht es ja ganz klar.

Da seid ihr also Fans von?

Kevin: Ja, total!

Oliver: Ja und auch Fans von Fehlern!

Kevin:  Genau, Fehler immer zulassen, ganz wichtig! Das macht dann auch schön diese vielen kleinen Spielereien aus oder halt die Ecken und Kanten. Eigentlich sind die Lieder schon ziemlich gerade und geschliffen, werden aber wieder etwas roher durch die ganzen Fehlerchen, die überall eingebaut sind. Beziehungsweise die wir nicht abgebaut oder rausgenommen haben. So ist es richtiger ausgedrückt.

Oliver: Und wir sind uns eben auch relativ schnell einig in dem was uns gefällt und was nicht. Also wenn man was ausprobiert und der andere findet es nicht so gut, dann lässt man es halt bleiben.

Wer macht denn bei euch was? Da seid ihr auch nicht so strikt festgelegt, oder?

Kevin: Nö, sind wir auch nicht. Das einzige ist halt, dass ich die Wörter aufschreibe. Ansonsten sind wir wirklich gar nicht festgelegt. Wir ergänzen uns da ziemlich gut. Jeder kann alles ein bisschen oder auch mehr und dann kann der andere anschließen oder Sachen abnehmen. Sei es beim Instrumente spielen oder auch beim Aufnehmen. Also wir kennen uns mit den Techniken halt auch einigermaßen aus.

Um nochmal auf vorhin zurück zu kommen:  Musikalisch habt ihr ja sehr verschiedene Hintergründe und Prägungen. Kann man sagen, dass Clickclickdecker da die Schnittmenge ist, oder wie würdet ihr das beschreiben? Wie und wo kommt ihr da zusammen?

Kevin: Das ist eine ganz gute Frage. Ich glaube, das ist einfach gekommen. Du hast Recht, musikalisch haben wir andere Prägungen. Aber trotzdem natürlich Überschneidungen, die ja irgendwo jeder hat. Und mittlerweile habe entweder ich mich Oliver angenähert oder andersherum.

Oliver: Ich glaube gegenseitig.

K: Ja, ich glaube eigentlich, dass ich mich eher dem ruhigeren Krams angenähert habe.

Ist das eher dein Einfluss, Oliver?

Oliver:  Ja. Ich glaube schon. Vielleicht… Ich überlege gerade, ob das ein bisschen weit her geholt ist, aber ich bin ein durchaus Harmonie bedürftiger Mensch und ich glaube, das schlägt sich auch in meinen musikalischen Vorlieben nieder.

Kevin: Ich bin Harmonie süchtig! Aber man muss auch dazu sagen, dass du beim letzten Studio-Album auch den Verzerrer angemacht hast! Da haben wir dann richtige Rock und Punk Stücke gespielt. Jetzt ist halt einfach deine Zeit.

Oliver:  Ja, find ich gut. Nein, insgesamt war das keine bewusste Entscheidung. Aber, was diesmal schon anders war, auch im Vergleich zu dem Album davor, ist, dass die Stücke zum Teil auch so entstanden sind, dass ich zum Beispiel Zuhause irgendwie mit dem Telefon Gitarrenideen aufgenommen habe und sie Kevin geschickt habe. Aus denen sind dann plötzlich Songs entstanden. Das ist für mich auf jeden Fall ein ganz tolles und neues Erlebnis und ich glaube, dass das bestimmt auch dazu beigetragen hat, das die Dinge jetzt ein bisschen anders klingen, als sie vorher geklungen haben.

Soweit ich das verstanden habe, kennt ihr euch schon eine ganze Weile, arbeitet auch schon lange zusammen Und seid eigentlich auch schon beide lange Teil von Clickclickdecker. Trotzdem habe Ich in der Vergangenheit immer dich, Kevin, durch verschiedene Formationen hindurch als das „Herzstück“ wahrgenommen. Wie kommt es, dass ihr euch jetzt als Duo formiert habt und das auch jetzt so kommuniziert?

Kevin:  Das war eine Entscheidung. Verändert hat sich einfach der Zustand. Wir sind zusammengewachsen in den letzten sieben Jahren. Daher haben wir uns dazu entschieden, das jetzt genau so zu machen und zu kommunizieren. Für mich hat sich auch einfach verändert, dass ich auch gerne möchte, dass es so kommuniziert wird.

Oliver: Und Für mich ist das natürlich ganz toll. Das letzte Album ist schon zusammen gewachsen, es hat sich für uns schon lange gut und richtig angefühlt, zu zweit live unterwegs zu sein und dann ist aber auch das aktuelle Album zu zweit entstanden. Das ist für mich auf jeden Fall auch nochmal was ganz besonderes.

Das hört sich doch gut an.

So, wie die beiden sich während des Gespräches immer wieder das Wort aus dem Mund nehmen, aneinander anknüpfen und ihre Arbeitsprozesse beschreiben, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass es sich hier um eine lange gewachsene Freundschaft handelt. Spätestens als Oliver den Begriff Arbeitsehefrau in den Mund nimmt und Kevin auf dem Sofa sitzend den Kopf auf seine Schulter legt, muss ich ein bisschen grinsen und denken, dass es hier funktioniert wie in einer gut geölten Beziehung und kann mehr als glauben, dass die gemeinsame Arbeit rund läuft und Spaß bringt.

Ich würde gerne mit den Texten weiter machen. Woher kommen deine Texte denn so, Kevin? Also was sind das für Situationen in denen du anfängst zu schreiben? …Und warum machst du das immer mit der Unterlippe? (Anm: Kevin zieht ständig einen „Flunsch“)

Kevin:  Weil ich dir zuhöre! Naja. Die Texte, das sind einfach Alltagsgeschichten.

Würdet ihr sagen, dass es bei euch Hauptthemen gibt? Solche die immer wieder kehren?  

Kevin: Bei so Textfragen tue ich mich immer sehr schwer. Ich müsste eigentlich die Texte immer von Anfang an durchgehen, wenn ich ein Feedback über einen geben sollte. Aber bestimmt gibt es einen roten Faden, der ist halt einfach das was ich gerade auch schon sagte, der Alltag, das Familiäre, das was in einer Beziehung zwischen zwei Menschen oder vielleicht auch dreien passiert. Das ist glaube ich die wiederkehrende Sache. Es gibt immer auf eine Art und Weise einen Adressaten, der aber metaphorisch oder so kodiert ist, dass es halt jeder sein könnte. Also ich schreibe ja auch gerne in Ich- und Du-Form.

Wenn man sich ein bisschen mit Kultur oder „Kulturschaffenden“ beschäftigt, stolpert man ja häufig über die Aussage oder vielleicht auch das Klischee, dass viele Menschen kreativer sein können in schlechten Zeiten.  

Kevin: Ja. Auf jeden Fall.

Trifft das auf dich auch zu?

Kevin: Nein, es trifft nicht unbedingt auf mich zu, aber ich weiß genau, was damit gemeint ist, bzw. kann das nachvollziehen und benutze das auch gerne. Aber ob es auf mich zutrifft weiß ich jetzt nicht unbedingt. Aber na klar: Es ist einfacher seinen Schmerz mitzuteilen, als seine Freude. Und vor allem das festzuhalten in einem Text. Eine schöne fröhliche Melodie zu schreiben ist einfacher, als einen fröhlichen Text zu schreiben. Also Hut ab für jeden, der das kann. Wirklich. Das respektiere ich sehr.

Oliver: Man muss ja auch selten seine Freude verarbeiten.

Also brauchst du schon auch Dinge an denen du dich aufreiben kannst zum Texten?

Kevin: Ist natürlich schöner, als wenn es nicht so ist.

Interessanter?

Kevin: Ja genau. Ich glaube eine Kante ist schöner als ein Waschbecken oder eine Seifenschale in der man eh nur hin und her schwappt

Oliver: Glitscht.

Kevin: Eine Kante gibt dir einfach Wiederstand und in dem Moment kommt ja was zum Ausdruck. Auch wenns nur ein „Au!“ ist. „Au, das tut weh!“

Passend dazu, stößt man immer wieder auf das Attribut „melancholisch“, recherchiert man ein bisschen über Clickcklickdecker.  Stöbert man etwas durch Artikel, kann man fast den Eindruck gewinnen, die „Nordlichter“ müssten allein ihrer Herkunft wegen raue, kantige und eben melancholische Stücke hervorbringen.

 Dass dieser Eindruck immer wieder entsteht, ist eher etwas was einfach passiert, als dass es so geplant wäre, sagt Kevin. „Ich habe nichts dagegen einzuwenden und würde mich jetzt auch nicht dagegen sträuben. Oder es wäre verkehrt zu sagen, dass es nicht so ist.“ Melancholie gehört auf jeden Fall dazu, aber nicht als Grundstimmung. Sie ist also kein Muss.“, fügt Oliver noch hinzu.

Vielleicht sehen wir uns einfach ganz unabwendbar mit einer gewissen Melancholie konfrontiert, wenn uns das alltäglich Zwischenmenschliche, oft vermeidliche Kleinigkeiten, so ehrlich, einfach und klar präsentiert wird, wie Clickclickdecker es tun. Egal ob sie sich nun vornehmen, Dinge einfach nur zu erzählen oder sie auf bestimmt Art und Weise einzufärben.
Es scheint den Hörern auf jeden Fall irgendwie nahe zu gehen, was da auf der Bühne passiert, glaube ich später im natürlich, entgegen der geringen Erwartungen meiner Interviewpartner, ziemlich vollen Übel und Gefährlich wahrzunehmen.

Interview: Lena Krüger

Fotos (c) Sophie Krische