Father John Misty, 3.11.2015, Kesselhaus Wiesbaden

© Markus WernerWelche Frau wünscht sich nicht, dass sich ein Mann vor ihr auf die Knie schmeisst, inbrünstig Liebesballaden schmachtet und dabei flehend die Hand nach ihr ausstreckt?! Wenn dieser Mann auch noch unverschämt gut aussieht und einen Hüftschwung hat bei dem einem leicht schwindelig wird, ist das fast zu schön um wahr zu sein. Diese Szene, die man normalerweise nur aus Schmachtschmonzetten kennt, wird wenigstens für einen Abend wahr – und das gleich mehrmals, wenn Father John Misty aka Josh Tillman sexy am Bühnenrand entlang tänzelt. Der Abend fängt direkt mit dem Knaller „I Love You, Honeybear“ an. So steht meine männliche Begleitung schon nach wenigen Minuten in Wiesbaden im Kesselhaus am Rande neben der Box, während ich mich mit einem entschuldigenden Blick und einem verlegenen Schulterzucken geübt in die zweite Reihe direkt vors Mikro schiebe. Das ist dann allerdings schon wieder so nah, dass ich einen ehrfürchtigen Schritt zurück mache, als sich das bärtige Gesicht genau über mich beugt und eine zärtlich, leidenschaftlich Stimme skandiert: „You grab my hand and say in an I told you so voice: It’s just how we expected“. Allerdings übertrifft das gerade all meine Erwartungen. Ich revidiere in diesem Moment sogar meine Meinung, dass dieses Vollbart-Ding ein Hipster Relikt ist, was eigentlich schon wieder voll out sein müsste. Plötzlich sind Männer mit Bärten wieder total OK.
Bereits im Frühjahr konnte man sich bei zwei Konzerten von dem unglaublichen Charme des Barden aus Baltimore überzeugen. Von der ersten Sekunde an beherrscht Josh Tillman die Bühne, nicht umsonst hat er sich mit seinem Alterego in eine Prediger Rolle begeben, sein ursprünglicher Berufswunsch, bevor er ausschließlich der Musik huldigte. Er fällt auf die Knie, um direkt wieder aufzuspringen, steigt auf die Bassdrum um sich lasziv zu seinen betörenden Melodien zu bewegen, jede noch so kleine Geste ist pointiert, wobei Father John Misty genau weiss, was er damit bei seinem Publikum auslöst. Ich muss zugeben, ich hatte während des Konzerts nicht nur einmal anzügliche Gedanken.
Die Musik kommt aber bei all der Inszenierung der eigenen Person nicht zu kurz. Wunderbare Singer-Songwriter Melodien werden zum Besten gegeben, die grossartig dargeboten und mit vor Ironie triefenden Texten untermalt werden. Diese für Josh Tillman bekannte Ironie zeigt sich auch, wenn er ein Mädel in der ersten Reihe fragt, ob sie denn nun alle Fotos hätte, um ihren Freundinnen zu zeigen dass sie auch wirklich auf dem Konzert war. Mit weiteren bissigen Kommentaren schmeisst er sich dann für ein paar weitere Fotos in Pose, in der Hoffnung während des weiteren Konzerts eher in die Gesichter der Fans zu schauen als auf leuchtende Handy-Displays.
Mit einer wunderbaren Akustic Version von „Everyman Needs A Companion“ verabschiedet sich Tilman nach anderthalb Stunden. Auch ich bin zum letzten Song wieder mit meiner Begleitung vereint. Wir sind uns einig, Father John Misty hat uns einen sehr schönen Abend beschert – auch wenn wir beide sicherlich etwas unterschiedliche Ansichten haben, was genau die Highlights waren. Just in diesem Moment weicht der stets blasierte Blick, der trotz sexy Hüftschwung einen Hauch von Arroganz vermuten lässt, einem kleinen Lächeln, das sich durch Josh Tilmans Vollbart schummelt. Es scheint also auch für ihn ein gelungenes Konzert gewesen zu sein.

Father John Misty kommt im Februar nächsten Jahres wieder für eine Show nach Deutschland. Dann könnt ihr euch auch von ihm den Kopf verdrehen lassen, männlich wie weiblich:

25.05.2016 Berlin, PBHF CLUB

War dabei: Kate Rock
Foto vom Konzert im Berliner Heimathafen Neukölln: Markus Werner