Eher in als out of control

Der Versuch eines Gesprächs mit The Raveonettes.

Als wir zum vereinbarten Zeitpunkt im Lido in Berlin Kreuzberg ankommen, herrscht eine seltsame Stimmung. Zwar werden wir von Sharin Foo und Sune Rose Wagner in ihrer Garderobe freundlich begrüßt und gebeten, uns an dem reichhaltigen Angebot an Süßigkeiten und Getränken zu bedienen, aber irgendwie liegt eine leichte Anspannung in der Luft.

_DSC1406-1Sharin eröffnet uns dann auch direkt, dass sie am Interview leider doch nicht teilnehmen kann, da sie sich selbst um den T-Shirtstand kümmern muss. Es scheint ein etwas schwieriger Tag für die Raveonettes zu sein, am Vorabend in Hamburg ist ihr elektronisches Equipment kaputt gegangen, weshalb beim heutigen Konzert Soundeffekte und elektronische Beats entfallen müssen. Es soll also sehr spontan eine ganz andere Show werden, mit Live Drums und einer Menge Akustik. Das erzählt Sune mir bei unserem Gespräch, aber leider ist das auch so ziemlich das spannendste, was aus ihm herauszubekommen ist. Zwar lächelt er mich die meiste Zeit freundlich an, aber im beantworten meiner Fragen gibt er sich nicht gerade motiviert.

Warum sie sich dafür entschieden haben, die Aufnahmen zu ihrem aktuellen Album „In And Ouf Of Control“ via Livestream im Internet zu übertragen? Na ja, weil die Fans so etwas sehen wollen und man schließlich den Leuten im Gedächtnis bleiben muss, bis die nächste Platte erscheint. Ob es auf diesem Wege viel Interaktion mit dem Fans während der Entstehung des Albums gegeben habe? Ja, natürlich würden die Leute ihnen viel auf Twitter und MySpace schreiben. Ob einen das beschäftigt oder eventuell sogar in irgendeiner Form beeinflusst? Nein, so genau läse man das auch alles gar nicht. Okay, da kommt nicht viel. Also versuchen  wir ein wenig über das, wie ich finde, sehr gelungene Video zu „Last Dance“ (Regie: Matthew Lessner) zu sprechen, aber auch hier nicht viel Erfreuliches. Wenn es nach ihm ginge, müssten sie sowieso keine Musikvideos drehen. Er mag keine Videos und guckt selbst auch keine. Ja, danke, Herr Wagner.

Nun gut, vielleicht war er einfach nicht in der Stimmung. Sobald wir aus der Interviewsituation raus sind, wird er nämlich ein klein wenig gesprächiger. Außerdem würde er sich sehr freuen, wenn wir noch zum Konzert blieben. Es ist das erste Mal, dass er so etwas wie Interesse an uns zeigt.

In der Merchandise Ecke wühlt eine leicht verzweifelt wirkende Sharin in einem Berg von T-Shirts. Beim Falten und sortieren erzählt_DSC1402-2 sie mir von ihrem Twitter-Gewinnspiel, bei dem Fans Freikarten gewinnen konnten, wenn sie ihnen ihren Wunsch-Merchandise-Artikel tweeten. Erstaunlich normale Sachen wären dabei herausgekommen, wie Mousepads und Basecaps. Keine Sexpuppen, lacht sie.

Der Verkauf  entpuppt sich während des Konzerts übrigens als echtes Problem, der Stand ist den ganzen Abend unbesetzt. Faszinierend, wie ehrlich Besucher von Popkonzerten sind, es wäre ein leichtes gewesen, sich ausgiebig zu bedienen. Aber alle gehen nach erstem Interesse und leichter Irritation anständig vorbei. Die Verkäufe dürften zumindest vor und während des Konzerts gleich null gewesen sein.

Auf der Bühne rocken Sharin und Sune dann in gewohnter Raveonettes Manier. Gut hört sich so ein richtiges Schlagzeug in ihren Songs an, das klingt schon fett, aber leider auch alles eine ordentliche Spur zu laut. Gesänge sind am Anfang fast gar nicht zu hören, das pegelt sich mit der Zeit zum Glück ein. Aber sonst tun Sound und Lautstärke doch empfindlich in den Ohren weh.

Was soll ich sagen? Ich bin desillusioniert. Warum die Stimmung vor dem Konzert so seltsam war, werde ich wohl nie erfahren. Aber wir sind ja nur ein kleines Online-Magazin, und sonderlich Internet affin erschien Sune Rose Wagner mir in unserem Gespräch nicht. Vielleicht waren wir auch einfach nicht wichtig genug. Was soll’s. Rave on.

 

Fotos (c) Michaela Marmulla