CocoRosie: Grey Oceans im Regen

Bianca und Sierra Cassidy live zur Kulturarena Jena.

CocoRosieCocoRosie. Immer extrem, extrem schön oder extrem furchteinflößend. Oft auch gleichzeitig, aber nie einfach dazwischen, sondern immer mitten ins Schwarze der trashig bunten Verzierung. Kinderkeyboards, Kuhglocken und Anrufbeantworter treffen auf Harfenspiel, Klavierbegleitung und/ oder Hip Hop Beats. Die beiden Schwestern haben in ihrer Unterschiedlichkeit ein eigenes Musikuniversum geschaffen, in dem jedes Genre und jedes „Instrument“ ihre Verwendung findet und zum einzigartigen CocoRosie-Klang verschmilzt.

Am 23.07.10 waren sie Gast der Kulturarena Jena. Trotz heftigstem Regen sammelten sich mehr und mehr Zuschauer auf dem Openairgelände und bildeten in ihren bunten Regencapes ein riesiges Mosaik, das den gesamten Platz ausfüllte. Nachdem der Regen ein wenig nachließ, betraten Bianca (Coco) und Sierra (Rosie) Cassidy die Bühne. Sierra im blauen Ganzkörperanzug mit aufgemalten Glitzer-Tränen auf den Wangen, Bianca in einer Mischung aus bauchfreiem Hip-Hop-Outfit, Filztuch und einer mit Herzchen bestickten Schürze. Bunt… und doch nicht einfach nur zusammengewürfelt. Genau das beweisen sie mit ihrer Musik.

An dem aktuellen Album „Grey Oceans“, mit dem sie gerade auf Tour sind, haben auch der Jazzpianist Gael Rakotondrabe, der schon fast zum CocoRosiedritten Bandmitglied avanciert ist, und die Beatboxmaschine TEZ wesentlichen Einfluss gehabt und machen dieses Album zu einem der bisher „ausgereiftesten“. Experimentaler Pop ist nicht mehr nur ein Stilmittel, sondern das Markenzeichen von CocoRosie. „Lemonade“ ist dafür eines der besten Beispiele. Auf Gaels ruhige Pianobegleitung legt sich Biancas zerbrechlich zeitlose Stimme. Düstere Strophen, bei denen plötzlich poppig zum Refrain Licht durch Sierras fernwirkende Altstimme fließt. So kontrastreich die Stimmen, so ausgefeilt auch das Zusammentreffen von Piano und Electronic. Trotz poppigem Beat sind sie sensibler mit der Instrumentierung ihrer Songs geworden. Zusammen mit den phantasievollen Texten wird das Album zu einer Art musikalischem Kinderbuch für Erwachsene.

Der Regen ließ ein wenig nach und zwischen den Schirmen begannen Hände zu tanzen, ekstatisch und in sich verschlungen. Ein schönes Bild mal ganz abseits der Bühne. Neben den neuen Songs gab es auch „Noahs Ark“ (Titelsong des zweiten Albums) auf die Ohren. Als der Titel in eine Bigbeat-Version überging, kam richtig Bewegung auf.

Wo wir gerade bei ordentlichen Beats sind… im Mittelteil gab TEZ ein Beatboxsolo zum Besten. Er ist ein häufiger Begleiter und kaum mehr wegzudenken aus dem CocoRosieland.
Beat, Bass und Melodie gleichzeitig aus einem Mund- das muss man einfach gesehen haben! Trotz des miesen Wetters war alles voller Euphorie. Durchnässt, bunt und glücklich. Gegensätzlich und doch genau treffend, wie CocoRosie selbst.

Bericht: Ronny Ristok