Ben Johnston von Biffy Clyro im Interview

Am 3. Dezember 2013 beehrten die Schotten von Biffy Clyro bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr die Berliner mit einem ihrer sagenumwobenen Konzerte. Wem dies nicht genügen sollte, dem sei „Opposites – Live from Glasgow“ ans Herz gelegt. Ein Livealbum, welches die Band erst kürzlich, knapp vor dem ersten Geburtstag ihres Albums „Opposites“, veröffentlichte. Doch auch wenn man den Versuch, die besondere Spannung und Magie eines Konzerterlebnisses auf CD zu pressen, als geglückt ansehen kann, so drängt sich auch der Wunsch auf, dieses Trio mit allen Sinnen selbst erfahren zu wollen. Allein das Eröffnungsstück beim Gig in der Berliner C-Halle, „We Are Family“ von Sister Sledge, beschreibt sehr gut, wie viel Wärme von der Band ausgeht. Und auch im Gespräch vor dem Konzert zeigt sich Schlagzeuger Ben Johnston voller Herzlichkeit und ohne jegliche Distanz. So passiert es, dass man schnell von Biffy Clyros Liebe zum Live spielen auf Themen wie Alkoholsucht, Seele und Religion zu sprechen kommt und somit die Chance erhält einen kurzen, aber intensiven Einblick in das Leben von Ben Johnston zu erhaschen.

Biffy Clyro zieren die aktuelle Ausgabe des Musikmagazins Visions. Welchen Wert hat solch ein Cover für dich? 

Ben Johnston: Es ist eine Ehre. Denn es zeigt, wie sehr uns Deutschland ins Herz geschlossen hat. Und wir lieben Deutschland! Diese Affinität begann bereits in der Schulzeit, als wir eine Klassenfahrt hier her gemacht haben. Wir machen immer Späße darüber, dass wir noch T-Shirts brauchen, auf denen „Germany, it just works“ steht. (lacht) So besessen sind wir. Es ist uns auch wichtiger, dass die Konzerte hier gut laufen als woanders.

Auf dem Cover der Vision seid ihr oben ohne…

…schon wieder!

Welcher Teil des Körpers sollte mehr Wertschätzung erhalten?

Der Rücken. Über den männlichen Rücken wird nicht genug geredet.

Trainierst du viel?

Ich habe gerade erst damit begonnen, um zuzunehmen. Da ich seit anderthalb Jahren keinen Alkohol mehr trinke, habe ich rapide abgenommen. Jetzt wiege ich so wenig wie ich das letzte Mal als Teenager gewogen habe. Meine Frau mag das gar nicht. Aber wegen dem Schlagzeug spielen will es mit dem Zunehmen einfach nicht klappen. Auch wenn ich viele Protein-Shakes trinke. Und auch sonst mehr von allem zu mir nehme. Mehr Fleisch, mehr Kohlenhydrate, mehr Proteine… Ich esse die ganze Zeit!

Ist Stress ein weiterer Faktor für deinen Gewichtsverlust?

Ich fühle mich nicht gestresst. Vielmehr bin ich so entspannt wie noch nie in meinem Leben. Aber füllig bin ich nie gewesen. Wenn ich einen Bauch hatte, dann nur vom Bier. Das habe ich geliebt! Und deshalb schüttete ich Unmengen davon in mich hinein.

Hast du versucht von einer Vielzahl auf nur ein Bier pro Woche zu reduzieren?

Ja, aber ich bin unglücklicherweise einer dieser Menschen, die nach einem Bier nicht aufhören können zu trinken. Mir wurde nie schlecht. Also habe ich immer bis zur Bewusstlosigkeit getrunken. Ich habe Dinge getan, an die ich mich später nicht mehr erinnern konnte und Dinge gesagt, die ich nicht meinte.

Bist du in Schlägereien geraten?

Nicht so richtig. Ich war eigentlich immer sehr glücklich, wenn ich getrunken habe. Ich habe dann die Leute um mich herum genervt, habe laut gesungen und herumgegrölt. Aber ich habe auch ständig versucht, ihnen Martial Arts beizubringen. Aus irgendeinem Grund habe ich immer wieder darum gebeten, dass man mir weh tut. Solche Begebenheiten endeten letztlich immer damit, dass ich mir selbst im trunkenen Zustand Schmerz zugefügt habe.

Wie unterscheidet sich die heutige Glückseligkeit und Entspanntheit von dem Gefühl, welches du beim Trinken hattest?

Ich bin jetzt selbstbewusster. Früher dachte ich, dass ich erst nach ein paar Drinks selbstsicher wirken könnte. Bevor wir auf die Bühne gegangen sind, musste ich mir regelmäßig Mut antrinken. Als es dann darum ging die ersten Shows völlig nüchtern zu spielen, war ich entsprechend nervös. Und es war auch etwas komisch zu Beginn… Aber schon bald konnte ich spüren, dass mein Selbstbewusstsein an der neuen Herausforderung wuchs. Jetzt, nachdem ich den Beschluss gefasst habe komplett auf Alkohol zu verzichten, fühle ich mich großartig. Meine Entscheidung war auch die richtige für die Menschen um mich herum. Sie haben sich viele Sorgen gemacht und ich habe nicht gemerkt, dass ich sie mit meinem Trinkverhalten verletze. Nun habe ich erkannt wie selbstsüchtig mein Handeln war.

In welchem Moment hast du begonnen an andere Menschen zu denken?

Wahrscheinlich erst nachdem ich aufgehört habe zu trinken und bei ein paar Treffen der Anonymen Alkoholiker in Los Angeles war. Die Menschen sind dort viel feinfühliger. Wenn man mehr als 4 oder 5 Bier hinter einander trinkt, ist man ihrer Ansicht nach ein Alkoholiker. In Schottland ist es dagegen so, dass man ausgelacht wird, wenn man keinen Alkohol trinkt. Die Leute machen eine große Sache daraus und fangen sogar an einen zu beleidigen. Was einfach albern ist! Aber das ist wohl die Kultur, in der wir leben… Die Zeit in Los Angeles half mir an meinem Entschluss festzuhalten. Manche Leute, die an den Treffen der Anonymen Alkoholiker teilnahmen, waren gerade einmal 17 Jahre alt. In dem Alter darf man in Amerika eigentlich noch nicht Alkohol trinken und sie wussten sogar schon, dass sie in der Hinsicht ein Problem hatten. Das hat mich sehr beeindruckt. Ich traf auch auf viele Musiker, die mit dem Trinken aufgehört hatten. Sie halfen mir ebenfalls die Dinge anders zu sehen. Es war eine sehr inspirierende Zeit für mich.

Würdest du Organe spenden?

Auf jeden Fall. Jedes Organ, das jemand bräuchte, würde ich spenden. Wieso auch nicht? Zu Weihnachten werde ich für meine Frau Blut spenden gehen. Das ist das einzige Geschenk, das sie von mir haben möchte. Und wenn ich das tue, kann ich auch Organe spenden. Wenn ich sie nicht brauche, wäre es doch egoistisch sie für mich zu behalten.

Glaubst du, dass deine Seele nach dem Tod weiterlebt?

Ich denke, dass es so etwas Ähnliches wie eine Seele gibt. Eine Art von Präsenz oder Energie, die wir nicht verstehen können. Aber ich glaube auch, wenn man tot ist, ist man tot. Ich bin nicht religiös. Religion ist Mist und löst nur Kriege aus. Dafür habe ich keine Zeit. Vielmehr glaube ich an Karma. Was man tut, hallt zurück.

Gibt es in deiner Familie oder in deinem Freundeskreis jemanden, mit dem du dich über Religion streiten kannst?

Meine Eltern sind nicht religiös. Sie haben jedoch immer gesagt, dass ich selbst entscheiden soll, ob ich christlich leben möchte oder nicht. Ich habe eine Tante, die sehr religiös ist. Nur hat sie ein bisschen das Vertrauen darin verloren, nachdem mein Onkel an Krebs gestorben ist. Aber mit Andy Hull, dem Sänger von Manchester Orchestra, habe ich viel über Religion gesprochen. Er ist der Sohn eines Pastors. Und ja, wir hatten so unsere Uneinigkeiten… (lacht) Ich meine, er hat von Dinosauriern gesprochen! Wo sind denn bitteschön Dinosaurier in der Bibel? Es ist ziemlich einfach einem Christen eine Frage zu geben, die er nicht beantworten kann. Ich bleibe dabei, dass Religion problematisch ist. Weil sie auch so oft missverstanden wird. Und auch, wenn der Glaube manchen Menschen helfen und ihnen neue Formen im Leben bieten kann, so ist diese Art von Struktur nichts für mich.

Was ist dein Grund jeden Tag erneut aufzustehen?

Ich habe alle Gründe der Welt! Ich bin der glücklichste Mensch, den ich kenne. Weil ich meinen Traum leben darf. In Deutschland vor Tausenden von Menschen zu spielen, ist einfach unglaublich. Dass ist das, was wir uns als Band immer gewünscht haben. Die Leute scheinen uns wirklich zu mögen. Wahrscheinlich sehen sie wie passioniert und ehrlich wir bei der Sache sind. Und dass wir nicht versuchen nur Geld zu machen.

Interview und Fotos: Hella Wittenberg