Heute passiert’s… nicht. Interview mit Dieter Sermeus von The Go Find

Am 5. Februar, diesen Freitag, erscheint „Everybody Knows It’s Gonna Happen Only Not Tonight“, das dritte Studioalbum von The Go Find. Wir haben Dieter Sermeus, den Kopf der belgischen Band, zum Skype-Interview auf unserem Computerscreen getroffen.

mm096_12x12_72dpiErzähl mir von den Aufnahmen zu Deinem neuen Album. Wie hat alles angefangen?

Alles hat angefangen in diesem Zimmer (zeigt hinter sich), auf der Gitarre, die Du da hinten stehen siehst. Mein Schlagzeuger Tim und ich haben uns hier quasi ein Jahr lang verbarrikadiert und einfach nur gespielt. Ganz simpel, nur Schlagzeug und Gitarre. Als wir so weit waren, sind wir im April in unser Studio in Brüssel gegangen und haben bis in den Oktober hinein alles aufgenommen.

An den Aufnahmen hat aber diesmal Deine Liveband mitgewirkt?

Ja, es ist definitiv eine Bandplatte. Aber die Songs entwickelt haben Tim und ich. Als wir ins Studio gegangen sind, haben wir als erstes die Drums aufgenommen. Ich habe gesagt, ich möchte diese „Fleetwood Mac“ Drums (lacht). Ich bin kein riesiger Fleetwood Mac Fan, aber Du musst Dir ihre Musik mal nur in Bezug auf die Drums anhören, dann weißt Du, was ich meine. Genau so wollte ich das haben.

Was entsteht bei Dir zuerst, die Musik oder die Texte?

Also wenn ich mich hinsetze um einen Song zu schreiben muss ich ungefähr wissen, wovon ich singen will, damit ich eine Grundstimmung habe, ob es melancholisch werden soll oder fröhlich. Da gehen Text und Melodie bei mir Hand in Hand. Beim komponieren singe ich dann meistens vor mich hin, und daraus entsteht der Text. Der schwierigste Teil ist dann, das aufzuschreiben und grammatikalisch in eine Form zu bringen, dass man es auch versteht (lacht).

Das Bild, das ich im Kopf habe wenn ich die Platte höre ist eine lange Autofahrt nachts auf einer leeren Autobahn. Dann habe ich gelesen, dass Du bereits 2004 über Dein erstes Album „Miami“gesagt hast, es wäre besonders gut für lange Autofahrten geeignet. Ist das eine Leidenschaft von Dir, Musik im Auto zu hören?

Ehrlich gesagt, hasse ich Autofahren (lacht). Zum Beispiel wenn ich hier in Antwerpen im Feierabendverkehr stecken bleibe… aber lange Strecken, nachts zum Beispiel, wenn die Straßen leer sind, sind etwas anderes. Und dabei höre ich sehr gern Musik. Es ist die intimste Art, Musik zu hören, man schaltet quasi auf Autopilot, das Auto ist nur ein kleiner Punkt in der Nacht und darin bist Du mit der Musik allein. Allerdings kann ich nicht jede Musik im Auto hören. In Belgien ist es eine Katastrophe am Wochenende Radio im Auto zu hören, da läuft die ganze Zeit nur Techno und Dance. Ich habe nichts gegen Techno, aber im Auto kann ich das nicht hören. Also ja, vielleicht mache ich Musik, die ich selbst gern im Auto hören würde.

Erzähl mir wie Du auf den Titel gekommen bist.THEGOFIND_photo05_low_res

Ach Du weißt doch, wie es ist im Leben. Jeden Tag nimmt man sich vor, die Welt zu ändern. Ich zum Beispiel nehme mir jeden Tag vor, das Auto weniger zu benutzen. Aber dann muss ich doch schnell von A nach B und fahre doch wieder mit dem Auto. Aber morgen, morgen fang ich an, alles anders zu machen! Verstehst Du? Wenn Du jung bist und noch zu Hause bei Deinen Eltern lebst, ist alles einfach. Da haben mich Dinge wie die Umwelt oder Politik weniger interessiert. Heute weiß man so viel mehr und denkt, man müsste seinen Teil zu den Veränderungen beitragen. Zum Glück passieren ja auch immer wieder Dinge, wie zur Zeit in Kopenhagen zum Beispiel. Aber damit anzufangen ist manchmal schwierig. Ich will das auch nicht kritisieren, weil ich selbst weiß, wie es ist. Es ist mehr eine Feststellung.

„Everybody Knows It’s Gonna Happen Only Not Tonight“ ist Dein drittes Album. Was hat sich seit Deinem Erstling „Miami“ verändert?

Mit Musik Geld zu verdienen ist natürlich nicht leichter geworden. Plattenverkäufe bringen so gut wie gar nichts mehr ein. Die Leute downloaden Musik, das ist nun mal so, ich finde auch, dass es keinen Sinn macht, sich ständig darüber zu beklagen. Dafür hat man die Möglichkeit, mehr Shows zu spielen, auch an neuen Orten, die man früher noch nicht kannte. Und man muss ständig auf Zack sein, sich neue Dinge ausdenken, wie man weitermachen könnte. Zum Glück ist das gar nicht so sehr meine Aufgabe. Ich muss mich darum kümmern, meine Musik zu machen, für die Vermarktung ist das Label zuständig.

Du bist bei dem wunderbaren Label Morr Music.

Ja, und das ist sehr gut so. Bei Morr Music ist alles noch sehr familiär, zwischen dem Künstler und dem Label stehen nicht dutzende von Leuten. Das mag jetzt ein bißchen „cheesy-hippy-mäßig“ klingen (lacht), aber Thomas Morr geht es immer noch darum, dass er die Leute mag, mit denen er zusammenarbeitet. Es ist eine sehr ehrliche, direkte, auf Freundschaft basierende Zusammenarbeit. Es sind seltsame Zeiten, in denen wir leben, man muss immer wieder Wege finden am Leben zu bleiben und weiter zu machen. Morr Music bietet einem da als Künstler viel Unterstützung.

Was sind Deine persönlichen Lieblingsstücke auf dem Album?

THEGOFIND_photo04_low_res„Neighbourhood“ mag ich sehr gern. Aber mein großer Favorit ist der letzte Song, „Heart Of Gold“. Vielleicht kennst Du das auch, wenn man älter wird, fängt man immer mehr an, sich für ältere Platten zu interessieren. In einem Second Hand Plattenladen bin ich irgendwie auf Roxy Music gestoßen und bei „Avalon“ hängen geblieben. Wenn meine Eltern vor vielen Jahren diese Platte aufgelegt hätten, hätte ich es grauenvoll gefunden. Heute finde ich es großartig. Bryan Ferry singt es auf eine unvergleichlich fragile Art. „Heart of Gold“ ist mein ganz persönliches Tribut an „Avalon“.

Du hast es ja schon gesagt, das Musikgeschäft ist nicht einfach, die Zeiten sind es generell nicht. Was sind für Dich die Momente in denen Du das Gefühl hast, dafür lohnt sich die ganze Arbeit? Dafür mache ich das alles?

Oh, ich brauche diese Momente ganz dringend, am besten jede Woche mindestens einen. Ich habe zwei Kinder und damit eine Familie zu ernähren, das bedeutet eine Menge Arbeit. Aber wenn ich zum Beispiel mit der Band probe, da gibt es diese Momente, wenn etwas richtig gut hinhaut, etwas genau so klingt wie man es sich wünscht – dann wird man eins und kriegt dieses Gefühl „Yeah, we can do it!“ Das ist großartig. Weißt Du, eine zeitlang habe ich Musik allein am Computer gemacht, ganz für mich. Ich habe schon früh in Bands gespielt und das war immer kompliziert, man musste einer Meinung sein, Zeit finden, miteinander zu proben… also habe ich mich zurückgezogen und allein Musik gemacht. Irgendwann war mir das zu einsam und ich hatte das Bedürfnis, wieder mit einer Band zu arbeiten. Das tue ich jetzt, und dass es so gut funktioniert liefert mir diese Momente.

Dann wünsche ich Dir noch ganz viele davon! Und viel Glück für das neue Album.

Danke schön!

„Everybody Knows It’s Gonna Happen Only Not Tonight“ erscheint am 5. Februar 2010 auf Morr Music als LP, CD und Download.

Cover (c) Julia Guther

Foto (c) Katleen Clé

www.myspace.com/thegofindmusic

www.morrmusic.com


1 Kommentare

  1. Pingback: the go find » some nice reviews

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