Gehört: „Delfinarium“ von Frittenbude

Da ist sie nun also. Die neue Platte von Frittenbude. „Delfinarium“ nennt sich das Werk und der Titel passt tatsächlich zur Themenauswahl der 16 Songs. Wenn wir uns mal ein Delfinarium vorstellen und es beschreiben müssten, kämen wir wohl zu dem Schluss, dass es sich um eine Art Gehege handelt, in dem eingesperrt eine Land auf Land ab als freundlich und aufgeweckt, verspielt und humorvoll angesehene Spezies den Menschen ihre Kunststücke darbietet oder schlicht das tut, was Tiere im Zoo eben tun. Fressen, ficken, sich bewegen und warten, bis der Zuschauerdrang nachlässt und sie wenigstens ein paar ruhige Stunden vor sich haben, ohne kreischende Kinder und in Verzückung geratene Großeltern. Frittenbude beschreiben schon seit ihrer ersten Platte genau diesen Zustand des überwachten Hedonismus.

Spaß und Gefangenschaft. Vermutlich die begriffliche Klammer, aus der sich ihre Welt zusammensetzt. Und da sie diese Welt ja nicht allein bevölkern, gesellten sich nach einigen Hits und ein paar Hot Rotations auf ausgewählten Indie-Sendern dann auch all die eingepferchten Hedonisten der deutschen Großstädte dazu und huldigten der Tongebung und vor allem der Wortgebung. Gute Bands liefern identitäre Soundtracks. Das war schon immer so. Und identitäres gibt es in Massen auf dem neuen Longplayer. Anders als bei englischsprachigen Bands, die dem geneigten Zuhörer in Deutschland noch überlassen ob er sich dem Text widmet oder einfach die Atmosphäre der Songs auf sich wirken lässt, hängt bei deutschsprachiger Musik das Wort immer wie ein „Bitte beachten“-Schild an der Tür zu jedem Song. Nun gibt es zwei Neuerungen in diesem Zusammenspiel von Wort und Musik bei Frittenbude. Die erste ist schon nach einigen Song eklatant. Die Parolen der älteren Songs sind der Reflektion gewichen. Dem Gefühl bei der Betrachtung der eigenen Sippe im Zoo Namens Kapitalismus. Wie in „Nur wegen dem Eiskonfekt“, wo die vermutlich treffendste Beschreibung der ganzen Heiopeis zwischen 20 und 40, die Audiolith für sich entdeckt haben zu finden ist:

„Grundlos die Welt verändern. Bewusstlos alles Geld verbrennen. Lustlos jedes Talent vergeuden. Anschlusslos aus vollen Freuden…..wir machen alles falsch, wir sind zu infantil, wir haben nur geklaut und somit abgespielt. Wir sind zu verpennt, verpeilter Hedonismus und so plem plem, geteilter Egoismus“

Eine weitere Neuigkeit ist, dass Johannes Rögner, das Stofftier unter den Leadsänger aus dem Stalle Audiolith, nicht mehr nur in der für diese Gattung scheinbar obligatorischen Mischung aus schreien und reden seinen Text ins Mikro haut, sondern erstmals fast singt. Wie in „Wings“, das mit der Bezeichnung Electropop oder meinetwegen auch Electropunk nicht mehr viel gemeinsam hat. Ein Gedicht. Vertont. Umspielt. Mit einer tiefen Melancholie über Indiebeats. Wunderschön. Noch schöner das Video zum Song, das an Gänsehautfaktor so einiges hinter sich lässt.



Aber keine Bange. Die Parolen sind natürlich nicht tot. Gleich im nächsten Track wird Deutschland alles in den Rachen gestopft, was einen an diesem Land so richtig auf den Sack gehen kann. Bleibt zu hoffen dass die Kids da draußen auch merken, dass Deutschland in diesem Lied all die Scheiße von Herzen gegönnt wird. „Deutschland 500“. Mitraven darf auch Torsun von Egotronic, und auch musikalisch wirkt der Track fast wie eine Hommage an die Könige von Audiolith. Ich sach mal so: Mit einer wirklich guten Anlage ein absoluter Lauti-Song für die nächste Antinationale Demo. Überhaupt schaffen es Frittenbude mit diesem Album immer wieder, textlich die Balance zwischen Abschlussplenum und Tagebucheintrag zu finden. Und da ich ja auch auf beides in Maßen stehe, meinen Glückwunsch dazu. Musikalisch bewegen sich alle Songs in elektronischen Sphären des Midtempo. Viel Bass. Klar. Aber immer unter- oder übermalt von Indieriffs und Poppunksynthies.

Nach weiteren Songs, die in ein zwei Momenten und zum Glück nur in diesen, brachial an Scooter erinnern, kommt es zum Ende des Albums nochmal zu extremer Tiefe. „So weit von Paris“ klingt wie eine BBC Session, bei der Radiohead und die Sterne zusammen leichte Drogen konsumieren. Erstaunlich.

Als letztes „Einfach nicht leicht“, das zusammen mit dem Opener „Von allem zuviel“ eine nicht nur semantische Klammer bildet. Die Single. Das Liebeslied nach 3 Jahren Zusammensein. Ja, für Manchen wird das neue Album vielleicht nicht viel sein, zu sperrig kommen die Gedankengänge daher, um eine „amtliche“ Pop-Platte zu sein, zu poppig die Musik, um eine Auseinandersetzung rein kognitiv führen zu wollen. Aber gerade diese Mischung ist für mich vielleicht nicht alles, aber sehr, sehr nah dran.


Künstler:  Frittenbude
Titel:  Delfinarium
VÖ:  Bereits erschienen
Label:  Audiolith


Gehört von: Marcus Reinhardt